Mobbing

Zuerst einmal: Vorsicht !

Mobbing ist schnell gesagt. Der Ausdruck wird ein bisschen inflationär gebraucht. Im Arbeitsleben herrscht naturgemäss Stress und man kann sich die Kollegen nicht aussuchen, mit denen man zusammengewürfelt wurde. Nicht jeder Streit und jede Fiesigkeit ist gleich mobbing, wenn es auch dauernd geschieht. Einen Rechtsanspruch auf gutes Benehmen gibt es leider nicht und bei Grobianen und Intriganten sind gute Chefs auch hilflos; sie können solches Verhalten nur ignorieren. Wenn Sie meinen ein Mobbingopfer zu sein, prüfen Sie bitte zuerst einmal ganz ehrlich, ob Sie nicht zu dünnhäutig sind und der andere Kollege oder die anderen Kollegen nicht schlicht und einfach unhöflich sind und ob nicht ohne Vorsatz gegen Sie nur ein ganz schlecht ausgebildetes Sozialverhalten vorliegt.

Was ist mobbing ?
Es gibt eine mögliche Definition von mobbing im deutschen Arbeitsrecht. Die überwiegende Meinung im juristischen Schrifttum hält mobbing allerdings -richtigerweise- nicht für einen Rechtsbegriff, sondern für die schlagwortartige Beschreibung verschiedener Diskriminierungssachverhalte, die im Zweifel vom Opfer im Einzelnen dargelegt werden müssen. Das Landesarbeitsgericht Thüringen bezeichnet mobbing so:“Fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich sind und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre und die Gesundheit des Betroffenen verletzen“. Es handelt sich also um die planmässige Vergraulung von Kollegen durch Kollegen. Wenn die Vorgesetzten so etwas machen, ist das im eigentlichen Sinne kein mobbing. Man könnte es bossing nennen. Das juristisch wirklich Heimtückische an mobbing ist, dass es heimlich geplant wird. Juristen brauchen für den Vorsatz des Täters immer Beweise und das ist bei gut geplantem mobbing nahezu unmöglich. Die Täter versuchen alles, um keine Spur zu hinterlassen. Jede Diskriminierung befindet sich im Bereich des vermeintlich Normalen. Fast könnte man sagen: Mobbing das man beweisen kann ist keines mehr. Wenn man die mobbing-Abrede beweisen kann oder den Vorsatz bei einer Mehrzahl von Angriffen, wird die Sache nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Thüringen ganz leicht. Die Chefs sind verpflichtet, die Sachen zu unterbinden, sonst macht sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig. Der Arbeitgeber verletzt seine Fürsorgepflicht, wenn er mobbing duldet.

Methoden des mobbing
Die Methoden des mobbing sind vielfältig. Wer sich etwas Mieses vornimmt, setzt seiner Phantasie auch keine Grenzen, dem Anderen zu schaden. Die Arbeitsabläufe in den Betrieben sind ebenfalls zu verschieden, um nicht neue Mittel und Wege dafür zu finden. Es haben sich aber ein paar Standardsituationen herausgebildet, die sich beschreiben lassen.
soziale Ausgrenzung
Das Opfer wird nicht zu gemeinsamen privaten Veranstaltungen der Kollegen eingeladen, sonst sind aber alle da. Es isst in der Mittagspause allein. Man spricht nur dienstlich miteinander. Jeder persönliche Kontakt wird vermieden oder abgewehrt. Dagegen kann man fast nichts machen. Es besteht kein Anspruch auf eine private Beziehung zu Kollegen; niemand kann von den Chefs dazu gezwungen werden. Eine Ausnahme gilt natürlich für offizielle Betriebsveranstaltungen.
professionelle Ausgrenzung
Bei der professionellen Ausgrenzung handelt es sich um die wirksamste Methode des mobbing. Informationen werden an das Opfer nicht weitergeleitet, selbst in seinem eigenen Zuständigkeitsbereich nicht. Der Kollege wirkt plötzlich inkompetent. Er läuft auf und steht ständig dumm da ( „Wussten Sie das denn nicht ?“). Seine professionelle Leistungsfähigkeit sinkt für alle erkennbar auf Null.
Examinierung
Wenn man sich vorbereitet und den anderen lange genug fragt, kommt der Punkt, wo er passen muss. Scheinbar offenkundig hat der Betroffene nicht die gleiche Fachkompetenz, die der Fragende hat. Examinierung eignet sich gut für Dienstbesprechungen und interne Sitzungen. Das mobbing-Opfer wird vorgeführt und jeder möchte von ihm abrücken.
Überlastung
Wo es nur geht, wird die Arbeit an den Kollegen weitergereicht und sein bisheriger Aufgabenbereich so belastet, bis es offenkundig zu sein scheint, dass er sein Arbeitspensum nicht erfüllt. Überlastung ist das Standardmittel des bossing.
anzügliche Diskriminierung
Diskriminierung sexistischer, rassistischer, nationaler oder religiöser Art ist verboten. Man kann aber auch so diskriminieren, dass es nicht gleich erkennbar und beweisbar wird, indem man ständig positiv das Anderssein betont und das auf eine scheinbar liebenswürdige Art. Nach einer gewissen Zeit erleidet das Opfer den gleichen Effekt wir bei der direkten unverhohlenen Diskriminierung. Diskret diskriminieren kann man aber auch wegen besonderer Vorlieben wie Kleidung, kulturellem Geschmack und wegen sozialer Herkunft, man muss es nur oft genug tun.
Totalkontrolle
Wo gearbeitet wird, werden Fehler gemacht. Wo viel gearbeitet wird, werden viele Fehler gemacht. Jeder macht jeden Tag etwas anders, als es der andere gern hätte oder es selbst gemacht hätte. Bei der Totalkontrolle wird das ausgenutzt. Die Arbeit des Opfers wird ständig belauscht und beäugt, um seine Fehler zu entdecken und sie öffentlich bloss zu stellen. Das Opfer wird sicherlich seine Fehler machen und wenn die Totalkontrolle richtig wirkt, wird die Fehlerhäufigkeit mehr. Es entsteht schliesslich der nachhaltige Eindruck von Inkompetenz und sogar das Opfer glaubt das auch. Gemeinsam mit Überlastung ist Totalkontrolle ein brisanter Mix. Sie ist auch ein beliebtes Mittel des bossing.

Wie kann man sich als Betroffener schützen ?
Noch einmal wie oben: Prüfen Sie sich zuerst ganz kritisch, ob Sie nicht selbst übersensibel reagieren !
Wenn Sie sich sicher sind und das System erkennen, dass Kollegen planmässig daran arbeiten, Sie beruflich unmöglich zu machen und vom Arbeitsplatz zu vergraulen, wenn Ihre Würde und berufliche Kompetenz durch objektive Vorkommnisse ständig in Frage gestellt wird, dann schreien Sie nicht. Legen Sie sich auf die Lauer. Sammeln Sie die schwer zu erlangenden Beweise. Einen mobbing-Vorsatz werden sie nicht ohne weiteres vorfinden, denn darüber werden keine Protokolle geführt. Sie benötigen Indizien, also Geschehnisse, die für sich allein genommen nichts anderes erklären können als das Mobbingziel. Indizien müssen zwingend sein und dürfen keinen Beurteilungsspielraum zulassen. Ein Indiz allein reicht nicht; es müssen mehrere sein. Ab jetzt führen Sie ein Arbeitstagebuch. Notieren sie alles, was im Laufe des Arbeitstages im Betrieb mit ihnen geschieht und machen Sie bitte keine pauschalen Eintragungen, sondern eine konkrete Darlegung mindestens im Viertelstundenrhytmus: Was genau wurde wie genau wann genau erledigt? Wer hat was genau wann genau gesagt? Machen Sie stets eine Datensicherung von allen wichtigen Arbeitsergenissen und von den Anweisungen.
Erst wenn Sie selbst genügend überzeugendes Material gesammelt haben, das mit Sicherheit auf einen Mobbingvorsatz schliessen lässt, können Ihnen Juristen helfen. Sie müssen Dritte zwingend von dem mobbing überzeugen können; darauf kommt es an. Erst dann kann man den Arbeitgeber rechtlich zwingen, gegen die Täter vorzugehen oder er löst seine Schadensersatzpflichten aus. Bitte nehmen Sie Ihre Beweislast nicht auf die leichte Schulter. Bisher sind Schadensersatzklagen überwiegend gescheitert, weil es dem Kläger oder der Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts gelang, die Planmässigkeit der Vorgehensweise beim mobbing zu beweisen.