Arbeitnehmer

Das Arbeitsverhältnis ist ein sehr komplexes und aufwändiges Vertragsverhältnis. Das liegt besonders an der damit verbundenen Abgabenlast, dem Kündigungsschutz und den komplizierten Arbeitsrechtsregeln. Deswegen wird sehr oft versucht, das Arbeitsrecht zu umgehen. Das Gesetz lässt das nur dann zu, wenn die Arbeitnehmereigenschaft des Mitarbeiters eindeutig nicht vorliegt.

Sehr ernsthafte Nachzahlungsprobleme von Sozialversicherungs-beiträgen bis hin zu Strafverfolgung entstehen, wenn Arbeitsvertrag und Arbeitswirklichkeit auseinanderfallen, wenn etwa der „freie Mitarbeiter“ in Wirklichkeit Arbeitnehmer ist.

Die Eigenschaft eines Mitarbeiters als Arbeitnehmer richtet sich nicht nur nach der vertraglichen Abrede, sondern vorerst nach der konkreten Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses. Wenn bestimmte Indizien vorliegen, die für sich allein oder zusammen mit anderen die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft begründen, so zieht dieses Arbeitsrecht mit allen steuer-, sozialversicherungs- und arbeitnehmerschutzrechlichen Konsequenzen nach sich. Als Indizien gelten insbesondere die Eingliederung des Mitarbeiters in die betriebliche Arbeitsorganisation und seine Weisungsabhängigkeit. Das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht haben in langjähriger Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, die in der Praxis bei der Abgrenzung von abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit zugrunde gelegt werden müssen. Dabei kommt es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheidend darauf an, ob und in welchem Umfang der zur Arbeitsleistung verpflichtete „persönlich abhängig“ ist. Die persönliche Abhängigkeit wird wiederum aufgespalten in „Weisungsgebundenheit“ und „Eingliederung in den Betrieb“. Eine Weisungsbindung muß in örtlicher, zeitlicher und fachlicher Hinsicht bestehen. Die betriebliche Eingliederung äußert sich in der Abhängigkeit von Personal und Arbeitsmitteln des Auftraggebers.

Wenn alle nachfolgenden Fragen mit „ja“ beantwortet werden können, liegt eindeutig eine Arbeitnehmereigenschaft vor:

a) Persönliche Abhängigkeit (Weisungsgebundenheit)
Bestimmt der Auftraggeber den Arbeitsort der Dienstleistung?
Bestimmt der Auftraggeber Zeitpunkt und Dauer der Dienstleistung?
Bestimmt der Auftraggeber die Art der Arbeitsleistung inhaltlich und fachlich?

b) Eingliederung in die Organisation des Auftraggebers
Ist eine Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern des Auftraggebers erforderlich (personelle Eingliederung) ?
Wird die Dienstleistung mit Arbeitsmitteln des Auftraggebers erbracht (materielle Eingliederung)?

Einen weiteren Gesichtspunkt kann der Umstand bilden, ob der Arbeitsleistende seine Arbeitsleistung nur in einem einzigen Arbeitsverhältnis erbringt und daraus seinen wesentlichen Erwerb bezieht, oder ob er seine Arbeitsleistung in mehreren Rechtsverhältnissen mit anderen Personen erbringt. Ist er für seinen Lebensbedarf und seine soziale Sicherung auf ein einziges Arbeitsverhältnis angewiesen, so liegt regelmäßig die für die Arbeitnehmereigenschaft charakteristische soziale Schutzbedürftigkeit vor.

Sehr oft werden Mischformen von persönlicher Abhängigkeit und Eingliederung in eine fremde Betriebsorganisation angetroffen, so daß zunächst nicht ganz klar zu sein scheint, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis oder ein sozialversicherungsfreies, lohnsteuerunabhängiges Dienstverhältnis ohne die typischen Arbeitnehmerschutzrechte handelt. Das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht betonen in ständiger Rechtsprechung, daß es darauf ankomme, welche Merkmale für abhängige oder selbständige Beschäftigung im Einzelfall überwiegen. Aus der Vielzahl möglicher Merkmale gibt es nach der Rechtsprechung kein Einzelmerkmal, das immer unverzichtbar vorliegen muß, damit man von persönlicher Abhängigkeit sprechen kann. Die typischen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses sind im Einzelfall zu gewichten und erst aus der Gesamtschau dieser Gewichtung läßt sich bestimmen, ob eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt oder nicht. Bei Abweichungen zwischen der vertraglichen Vereinbarung und der tatsächlichen Durchführung ist die tatsächliche Gestaltung des Erwerbsverhältnisses maßgebend.

Man kann die Frage der Arbeitnehmereigenschaft unterstützend im Einzelfall auch von dem Kriterium des Unternehmerrisikos angehen. Arbeitsvertragsrecht liegt mit Sicherheit dann vor, wenn folgende Fragen alle mit „ja“ beantwortet werden können:

Hat der Dienstleister keine eigene Unternehmensorganisation?
Hat der Dienstleister keine eigenen Mitarbeiter?
Hat der Dienstleister keine eigenen Geschäftsräume?
Hat der Dienstleister kein eigenes Betriebskapital?
Liegt kein eigenes Auftreten am Markt vor?
Ist nur ein Auftraggeber vorhanden?
Hat der Dienstleister keine freie Zeiteinteilung?
Hat der Dienstleister keinen eigenen Kundenstamm?
Liegt keine freie Preisgestaltung des Dienstleisters gegenüber den Abnehmern der Dienstleistung vor?
Bestimmt der Dienstleister den Ort seiner Arbeitsleistung nicht selbst?