Rechtsprechungsänderung: Resturlaub bei zweiter Elternzeit

Was geschieht mit dem Resturlaub aus der aktiven Arbeitsphase, wenn er wegen der Elternzeit nicht mehr genommen werden konnte? Vor allem aber: Was geschieht, wenn während der –meistens dreijährigen- Elternzeit eine neue Schwangerschaft eintritt, wieder Elternzeit genommen wird und der alte Urlaubsanspruch immer länger zurückliegt?

Grundsätzlich gelten die gesetzlichen Regeln: Während der Elternzeit entsteht kein neuer Urlaubsanspruch. Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin aber den zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, muss der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr gewähren (§ 17 Abs. 2 BEEG). Dieser Urlaub ist finanziell abzugelten, wenn das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit endet oder es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt wird (§ 17 Abs. 3 BEEG). Eine Ausnahme wurde bisher aber dann gesehen, wenn während der Elternzeit eine neue Schwangerschaft eintrat und in die erste Elternzeit der Beginn einer zweiten Elternzeit fiel. Das Bundesarbeitsgericht hatte die gesetzliche Regel bisher dann als erschöpft angesehen und sie so ausgelegt, dass der vor der ersten Elternzeit nicht genommene Urlaub schliesslich mit Ablauf des auf die erste Elternzeit folgenden Urlaubsjahrs verfällt, wenn er wegen einer zweiten Elternzeit nicht genommen werden kann. An dieser Rechtsprechung hält das Bundesarbeitsgericht nicht mehr fest. Der Alturlaub verfällt nicht.

Eine Arbeitnehmerin nahm für die Betreuung ihres ersten Kindes vom 3. Dezember 2001 bis 7. Oktober 2004 Elternzeit in Anspruch. Wegen der Geburt ihres zweiten Kinds im Jahr 2003 schloss sich „nahtlos“ eine weitere, bis 18. August 2006 verlangte Elternzeit an. Das 1988 begründete Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 31. Dezember 2005.

Die Mutter forderte mit ihrer im Januar 2006 erhobenen Klage die Abgeltung von 27,5 Urlaubstagen aus dem Jahr 2001. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht hatten sich an die bisherige Rechtsprechung gehalten und die Klage abgewiesen, weil der alte Urlaubsanspruch wegen der zweiten Elternzeit verfallen sei. Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat am 20.05.2008 der Klage aber im Unterschied zu seiner bisherigen Rechtsprechung stattgegeben. Der Resturlaub wird weiter übertragen, wenn er nach dem Ende der ersten Elternzeit wegen einer weiteren Elternzeit nicht genommen werden kann. Diese neue Einsicht fusst auf einer mehr verfassungskonformen Auslegung und der Weiterentwicklung des Europarechts. Sie beachtet den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes, die Vorgaben EG-Arbeitszeitrichtlinie, der EG-Gleichbehandlungsrichtlinie und die Wertungen der EG-Mutterschutzrichtlinie stärker.

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