Verdeckte Videoüberwachung von Arbeitnehmern

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber Videoüberwachungen kenntlich machen. Die Ausnahmebedingungen für verdeckte Videokameras werden enger.

Eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Juni 2012 setzt neue Maßstäbe für den Einsatz verdeckt arbeitender Videokameras in den Betrieben.

Der Fall:

Zur Aufklärung hoher Inventurdifferenzen führte ein bundesweit aktives Einzelhandelsunternehmen mit Zustimmung des Betriebsrats etwa einen Monat lang in einer Filiale eine verdeckte Videoüberwachung durch, ohne dass sich vorher ein spezifischer Verdacht gegen einzelne bestimmte Mitarbeiter ergeben hätte. Nach sechs Wochen schließlich entdeckte man auf den Videoaufzeichnungen, dass die stellvertretende Filialleiterin bei zwei Gelegenheiten zumindest eine Zigarettenpackung aus dem Warenbestand entnommen hatte. Nach Inaugenscheinnahme der Videoaufzeichnungen stimmte der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterinnen zu. Die Arbeitnehmerin bestritt aber, Zigaretten entwendet zu haben; sie habe nur das Regal ein- und ausgeräumt. Sie war zum Kündigungszeitpunkt etwa 50 Jahre alt und seit September 1990 beanstandungsfrei als Verkäuferin in der Filiale tätig gewesen.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht Köln erhielt die außerordentliche fristlose Kündigung in Anbetracht der Dauer des ansonsten beanstandungsfreien Arbeitsverhältnisses und des Lebensalters für unwirksam, aber die hilfsweise erklärte, ordentliche fristgerechte Kündigung für gerechtfertigt. Es setzte sich dabei mit der einschlägigen Vorschrift des Bundesdatenschutzgesetzes auseinander, dass bei der Beobachtung von Arbeitsräumen mit Videokameras der Umstand der Beobachtung und die dafür verantwortliche Stelle durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen sei. Die heimliche Videoüberwachung widerspricht an sich den Vorschriften des Datenschutzgesetzes.

Es stellte zunächst fest, dass sich aus den zwei Videosequenzen unzweifelhaft ergibt, dass die stellvertretende Filialleiterin sich jedes mal zumindest eine Zigarettenpackung aus dem Warenbestand angeeignet habe. Es sei deswegen ein vorsätzlich Verhalten gegeben und nicht nur ein dringender Tatverdacht. Das rechtfertige prinzipiell eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die zweite Frage ist aber, ob derartige Aufnahmen gerichtlich verwertet werden dürfen, wenn sie heimlich sind, ob man also eine gerichtliche Entscheidung auf solche Beweismittel stützen darf. Dagegen könnte der gesetzliche Datenschutz sprechen.

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Köln führt ein solcher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer jedoch dann nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht und weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ausgeschöpft sind. Wenn die verdeckte Videoüberwachung das praktisch einzig verbleibende Mittel sei und insgesamt nicht unverhältnismäßig ist, wäre sie bei einem konkreten Verdacht zulässig. Aus dem Datenschutzrecht könnte nicht das Verbot jedweder verdeckten Videoüberwachung an öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen abgeleitet werden. Eine Einschränkung des Datenschutzrechts sei jedenfalls dann geboten, wenn sich der Arbeitgeber in einer notwehrähnlichen Lage befindet und die heimliche Videoüberwachung nicht dauerhaft bleibe.

Die überführte Arbeitnehmerin sei ersichtlich nicht im Kernbereich ihrer privaten Lebensgestaltung berührt worden, meint das Landesarbeitsgericht weiter. Die Videoaufnahmen zeigten sie vielmehr in dem öffentlich zugänglichen Verkaufs- und Kassenbereich, in dem eine offene Videoüberwachung grundsätzlich zulässig wäre. Unter den besonderen, hier erwiesenen Umständen müsse die verdeckte Überwachung statthaft sein, ohne dass man von einem Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre der Arbeitnehmerin sprechen könne.

Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall überprüft und an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es meint, dass das Landesarbeitsgericht die Vorgänge im Hinblick auf die Erforderlichkeit der verdeckten Videoüberwachung noch einmal genauer untersuchen und abwägen müsse. Dabei steckt es den Rahmen enger. Die Voraussetzungen unter denen das Landesarbeitsgericht Köln die verdeckte Videoüberwachung als zulässig angesehen hat, genügen dem Bundesarbeitsgericht nicht.

Demnach überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an Aufklärung gegenüber dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Arbeitnehmerin nur dann, wenn diese heimliche Art der Informationsbeschaffung trotz der damit verbundenen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen auch rechtlich als schutzbedürftig anzusehen sei. Bei verdeckter Videoüberwachung sei das nur der Fall, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer schweren anderen Verfehlung des Arbeitnehmers besteht und es keine andere Möglichkeit zur Aufklärung durch weniger einschneidende Maßnahmen mehr gibt. Erst unter diesen strengen Voraussetzungen seien die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes überwindbar, auch an den ansonsten öffentlich zugänglichen Arbeitsplätzen. Nach dem bisherigen Prozessstoff habe aber noch kein konkreter Verdacht, vorgelegen. Es stelle sich die Frage, ob wegen der Inventurdifferenzen jede andere Möglichkeit als Diebstahl durch Arbeitnehmer auszuschließen war und andere Ermittlungsmöglichkeiten nicht mehr bestanden. Wäre das der Fall, könne man die heimlichen Videoaufzeichnungen nicht verwerten, obwohl sie objektiv einen Diebstahl der Arbeitnehmerin aufgezeichnet haben. Die darauf gestützte Kündigung wäre unwirksam. Das muss das Landesarbeitsgericht noch aufklären.

 

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