Anfechtung eines Abfindungsvergleichs

Ein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossener Abfindungsvergleich kann nicht angefochten werden, weil der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss den Besitz von Geschäftsunterlagen verschwiegen hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Firmenunterlagen nach dem Arbeitsvertrag bei Ausscheiden nur „auf Verlangen“ zurückzugeben sind und der Arbeitgeber es nicht verlangt hat. Eine Anfechtung ist sogar dann nicht möglich, wenn der Arbeitnehmer die Geschäftsunterlagen etwa ein Jahr später einem Konkurrenzunternehmen zugänglich macht. Anfechtbar wäre der Abfindungsvergleich nur, wenn der Arbeitnehmer bei Abschluss des Vergleichs von Anfang an die Absicht hatte, die Unterlagen unter Verstoss gegen seine Verschwiegenheitspflicht treuwidrig zu verwenden. So meint es jedenfalls das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in einer Entscheidung vom 05.10.2007.

Ein Unternehmen und seine Leiterin des Personal- und Rechnungswesens hatten sich nach einer Kündigung vor dem Arbeitsgericht Kiel geeinigt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 160.000 aufzulösen. Zuvor hatte die Personalleiterin sich noch diverse Firmenunterlagen ausgedruckt, als sie von der beabsichtigten Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erfuhr.

Zehn Monate nach dem Prozessvergleich bewarb sich die Personalleiterin bei einem Konkurrenzunternehmen. Anlässlich des Vorstellungsgespräches zeigte sie dem Geschäftsführer dieses Unternehmens die Unterlagen aus dem Betrieb ihrer Exfirma, unter anderem Einzelkalkulationen und 22 Seiten, die Angaben zum wirtschaftlichen Status enthielten. Der Geschäftsführer des Konkurrenzunternehmens war so anständig, die Unterlagen einzubehalten, die Bewerberin hinauszukomplimentieren und die Unterlagen deren ehemaligen Arbeitgeber wieder auszuhändigen. Der alte Arbeitgeber focht den Aufhebungsvergleich an und forderte die Abfindung zurück.

Das Arbeitsgericht Kiel und das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein gaben dem alten Arbeitgeber nicht Recht. Weil die Personalleiterin erst zehn Monate nach dem Vergleich von den Unterlagen Gebrauch gemacht habe, könne man nicht darauf schliessen, dass sie schon beim Abschluss des Vergleich arglistig gewesen sei und schon damals beabsichtigt habe, die Unterlagen treuwidrig zu verwenden. Als Prokuristin mit Einzelprokura sei sie berechtigt gewesen, im Besitz von Geschäftsunterlagen zu sein und nach dem Arbeitsvertrag habe sie Unterlagen nur „auf Verlangen“ des Arbeitgebers zurückgeben müssen. Für den Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvergleichs könne der Arbeitnehmerin keine Täuschungsabsicht oder ein sonstiges Fehlverhalten bewiesen werden.

Kommentar: Wir halten die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein für fragwürdig. Es besteht kein Zweifel, dass die Vorgehensweise der Prokuristin bei dem Vorstellungsgespräch einen vorsätzlichen und vollendeten Versuch des strafbaren Verrats von Geschäftsgeheimnissen (§ 17 UWG) darstellte. Wenn es unstreitig war, dass die Arbeitnehmerin erst nach der Mitteilung der Beendigungsabsicht die brisanten Unterlagen photokopiert hatte, musste sie schon beim Abschluss des Aufhebungsvergleichs arglistig gewesen sein, die Unterlagen gegen den Vertragspartner zu verwenden, wie es tatsächlich später auch geschah. Von einem unbeachtlichen, sogenannten blossen Motivirrtum des vormaligen Arbeitgebers beim Abschluss des Aufhebungsvergleichs kann daher nicht die Rede sein.

Der Fall zeigt aber auch wieder, an was alles beim Abschluss von Aufhebungsverträgen zu denken ist. Wir empfehlen stets, eine Vereinbarung über die Rückgabe aller Firmenunterlagen, die Löschung aller Daten auf privaten Speichermedien und die Erklärung des Arbeitnehmers in den Vertrag aufzunehmen, dass er derartiges nicht mehr im Besitz hat oder sonstwie zugänglich hält.

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