Freistellung und Wettbewerbsverbot

Verstößt ein Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot während der Dauer einer vereinbarten Freistellung führt das zu Schadensersatzansprüchen seines Noch-Arbeitgebers, nicht aber zur Anrechnung oder Erstattung des wettbewerbswidrig erlangten Lohns.

Der Fall:

Ein Produktionsmanager und technischer Leiter erhielt eine Kündigung. Er erhob hiergegen Kündigungsschutzklage. Am Arbeitsgericht schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag mit folgendem Text:

  1. Das Arbeitsverhältnis endet aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung vom 02.10.2009 aus betrieblichen Gründen zum 31.01.2010. Verschuldensvorwürfe gegenüber dem Kläger sind mit der Kündigung nicht verbunden
  2. Der Kläger wird bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung freigestellt unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung und unter Anrechnung restlicher oder noch entstehender Urlaubsansprüche und eventueller Freizeitausgleichsansprüche. Die Beklagte bezahlt an den Kläger eine monatliche Vergütung ab dem 01.10.2009 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses in Höhe von € 6.200,00 brutto, soweit die Ansprüche nicht auf die Krankenkasse übergegangen sind.
  3. Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Sozialabfindung entsprechend § 9,10 KSchG, 24,34 EStG in Höhe von 18.000 € brutto.

Schon am 1. Dezember 2009 nahm der Produktionsmanager ein Arbeitsverhältnis bei dem größten Konkurrenten seiner Noch-Arbeitgeberin auf. Dort erhielt er eine Vergütung in Höhe von 6000 € brutto monatlich. Die Noch-Arbeitgeberin erfuhr davon am 15. Januar 2010 und kündigte wegen der Konkurrenztätigkeit das mit ihr noch bestehende Arbeitsverhältnis fristlos am 18. Januar 2010.

Die Firma beanspruchte von ihrem Ex-Arbeitnehmer die Auszahlung des Lohnes, den er bei der Konkurrentin in den Monaten Dezember und Januar verdient hatte, hilfsweise wollte sie diesen Lohn darauf anrechnen, was sie ihm für die beiden Monate noch zu zahlen hatte. Sie blieb damit vor der Arbeitsgerichtsbarkeit in allen Instanzen erfolglos.

Die Entscheidung:

Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg stellte sich auf den Standpunkt, dass die bisherige Arbeitgeberin zwar einen Schadensersatzanspruch habe, aber keinen Anspruch auf Abschöpfung des verbotswidrig erzielten Verdienstes bei der Konkurrenzfirma. Es habe keine Arbeitspflicht bei der Altarbeitgeberin mehr bestanden, so dass kein anderweitiger Verdienst während so genannten Annahmeverzuges (§ 615 S. 2 BGB) anzurechnen sei. Der Produktionsleiter habe seiner Altarbeitgeberin nicht mehr die Erbringung von Arbeitsleistung geschuldet, sondern nur die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Die erzielte Vergütung bei der neuen Arbeitgeberin habe er aber für seine Arbeitsleistung, aber nicht für den Verstoß gegen diese Unterlassungspflicht erhalten.

Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg hätte die Altarbeitgeberin einen Schadensersatzanspruch darlegen müssen, nämlich, wie hoch ihr entgangener Gewinn gewesen sei, weil der freigestellte Produktionsmanager in den Monaten Dezember und Januar bei der Konkurrentin gearbeitet hatte. Das allgemeine Wettbewerbsverbot gelte sicherlich auch in Arbeitsverhältnissen, in dem die Parteien eine einvernehmliche Freistellung bis zu seiner absehbaren Beendigung vereinbart haben. Die alte Arbeitgeberin habe zwar auf die Arbeitsleistung verzichtet, nicht aber auf die Einhaltung der sonstigen Vertragspflichten des Arbeitnehmers bis zum tatsächlichen Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses. Der Produktionsmanager und technische Leiter habe über erhebliche Fachkenntnisse verfügt, so dass es sich bei seiner Tätigkeit bei der Konkurrenzfirma um einen Wettbewerbsverstoß gehandelt haben müsse. Gerade deshalb, weil die Parteien nichts über die Anrechnung von anderem Zwischenverdienst während der Freistellung, etwa bei einem Nichtkonkurrenten, vereinbart haben, habe der Produktionsleiter besonders davon ausgehen müssen, dass ihm nicht die Tätigkeit bei einem Konkurrenten gestattet worden sei. Die Darlegung eines solchen Schadens sei der Altarbeitgeberin aber nicht gelungen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser aufgeworfenen Fragen hatte das Landesarbeitsgericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, welches am 17. Oktober 2012 entschieden hat (10 AZR 809/11). Das Bundesarbeitsgericht bestätigt im Ergebnis die Auffassung des Landesarbeitsgerichts. Jedenfalls nach der bisher vorliegenden Pressemeldung geht es aber einen Schritt weiter. Es bemängelt nicht nur, dass die bisherige Arbeitgeberin ihren entgangenen Gewinn durch die Konkurrenztätigkeit hätte darlegen müssen, was ihr nicht gelungen war, sondern sie hätte zudem auch einen Wettbewerbsverstoß selbst nicht ausreichend dargelegt.

Unser Kommentar:

Es ist Arbeitgebern nahezu unmöglich, den eigenen entgangenen Gewinn als Schadensersatz darzulegen, wenn ein Arbeitnehmer bei einem Konkurrenzunternehmen arbeitet. Es müsste nämlich genau erklärt werden, welche Geschäfte aufgrund dieser Tätigkeit vom Konkurrenten aufgenommen wurden, welche andernfalls selbst getätigt worden wären und welchen Gewinn sie erbracht hätten. Dazu fehlen in der Regel alle erforderlichen Informationen. Deswegen kommt es entscheidend darauf an, bereits bei der Vereinbarung von Freistellung noch einmal klarzustellen, dass anderweitiger Verdienst auf den während der Dauer der Freistellung noch gezahlten Lohn angerechnet wird und dass Konkurrenztätigkeit nicht gestattet wird. Andernfalls hat der Arbeitnehmer während der Dauer der Freistellung zwar keinen Freibrief auf doppeltes Einkommen, aber nur ein sehr geringes Risiko, für seine an sich verbotene wettbewerbswidrige Konkurrenztätigkeit zu haften.

 

 

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