Schadensersatz bei fristlosen Eigenkündigungen

Die Einschränkung seines Aufgabenbereichs durch die Gesellschaft führt nicht regelmässig zum Schadensersatzanspruch des GmbH-Geschäftsführers.

Der Fall:

Ein GmbH-Geschäftsführer vereinbarte in seinem Anstellungsvertrag, dass er die Geschäfte der Gesellschaft „selbstständig“ und „verantwortlich“ führen sollte. Zu den Hauptaufgaben gehörte die „Führung und die effiziente Organisation der hierfür notwendigen personellen und sonstigen betrieblichen Strukturen“ und die “Installation eines aussagekräftigen und transparenten Rechnungs- und Berichtswesens in einer von der Gesellschafterversammlung vorgegebenen Form“. Dieser Vertrag war zunächst auf fünf Jahre befristet.

In der Folgezeit verlagerten die Gesellschafter von den bislang sieben Abteilungen vier in andere Konzernunternehmen, u.a. den Vertrieb des Rechnungswesens. Zugleich bestellten die Gesellschafter einen weiteren Geschäftsführer und erließen eine Geschäftsordnung. Die Gesamtverantwortung für die Geschäftsführung lag demnach bei dem neuen Geschäftsführer. Der alte Geschäftsführer wurde ihm berichtspflichtig und er unterlag den Weisungen des neuen Geschäftsführers. Wenige Tage später kündigte der alte Geschäftsführer sein Anstellungsverhältnis wegen groben Vertragsverstosses der Gesellschaft fristlos.

Der alte Geschäftsführer erhob zudem Klage auf Feststellung, dass seine fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages wirksam war und auf Schadensersatz in Höhe der Vergütung bis zum Ablauf der fünfjährigen Befristung. Am Oberlandesgericht Karlsruhe gewann er mit dem Feststellungsantrag; dieser wurde rechtskräftig. Sein Vergütungsantrag wurde abgewiesen; dagegen ging er in die Revision zum Bundesgerichtshof. Am Bundesgerichtshof hatte er keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof nimmt in seiner Entscheidung vom 6. März 2012 zu einer unter Juristen sehr umstrittenen Frage Stellung.

Die Entscheidung:

Auch der Bundesgerichtshof bestätigte, dass in der Beschneidung des Aufgabenbereichs ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages gelegen habe. Die Gesellschaft sei jedoch aufgrund ihrer gesetzlich vorgegebenen umfassenden organisationsrechtlichen Weisungsbefugnis berechtigt gewesen, diese Maßnahmen zu ergreifen. Daher fehle das für einen Schadensersatzanspruch als zweite Stufe erforderliche Auflösungsverschulden. Grundsätzlich ist ein Vertragspartner, der den anderen durch eine schuldhafte Vertragsverletzung zur außerordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses veranlasst, dem Kündigenden zum Ersatz des durch die Auflösung des Vertragsverhältnisses entstandenen Schadens verpflichtet. Die Einschränkung des Aufgabenbereichs eines Geschäftsführers bedeute aber keine ursächliche Pflichtverletzung der Gesellschaft, die zum Schadensersatzanspruch führe. Das Organisationsrecht der GmbH, der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag und das Gesetz räumen der Gesellschaft in der Regel ein, die Kompetenzen ihres Geschäftsführers anders zu ordnen und ihm große Teile seiner Zuständigkeit zu entziehen. Einschränkungen dieses Rechts der Gesellschaft müssen ausdrücklich im Anstellungsvertrag vereinbart werden.

Schon früher hat der Bundesgerichtshof zur Frage der Abberufung eines Geschäftsführers entschieden, dass darin in der Regel kein vertragswidriges Verhalten liegt. Der Anstellungsvertrag bleibt bestehen. Andere Rechtsfolgen der Abberufung müssen im Anstellungsvertrag geregelt sein. Die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs der Geschäftsführerbestellung gewährleistet Gesellschaften im Bereich der Geschäftsführung eine weit gehende Organisationsfreiheit. Das Gesetz schließt ein dienstvertraglich begründetes Recht des Geschäftsführers auf Verbleib im Amt aus. Seinen Interessen wird dadurch Rechnung getragen, dass seine Vergütungsansprüche bestehen bleiben. Der Anstellungsvertrag wird durch die Abberufung nicht beseitigt; sieht der Geschäftsführer davon ab, ihn zu kündigen, behält er seine dadurch begründeten vertraglichen Ansprüche. Kündigt der Geschäftsführer seinen Anstellungsvertrag dagegen fristlos, verliert er den vertraglichen Vergütungsanspruch für die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages. Es kommt dann nur ein Schadensersatzanspruch in Betracht, wofür aber ein besonderes vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft vorliegen muss.

Kommentar:

Um den Verlust seines möglichen Schadensersatzanspruchs zu vermeiden, sollten Geschäftsführer bei der Verhandlung und Abfassung des Geschäftsführervertrages vorsorglich das Organisationsrecht der GmbH genau definieren. Die Kompetenzen sind im Anstellungsvertrag konkret zu bezeichnen, auf die der Geschäftsführer besonderen Wert legt (a.)und bei deren Entziehung er berechtigt sein darf, das Anstellungsverhältnis zu kündigen (b.). Bestimmtheit ist geboten. Nur bei derart sanktionsbewehrten Beschneidungen konkreter Kompetenzen des Geschäftsführers wäre im Fall von schweren Vertragsverletzungen ein Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers gewährleistet.

 

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