Crowdworker als Arbeitnehmer ?

Arbeitnehmer wird man schneller als man denkt, auch bei der ständigen Vereinbarung von Mikrojobs im Internet.

Der Fall:

Eine Firma hat als sog. Crowdsourcer das Geschäftsmodell, im Auftrag ihrer Kunden die Präsentation von deren Markenprodukten im Einzelhandel und an Tankstellen zu kontrollieren. Die unmittelbare Kontrolltätigkeit lässt sie durch sog. Crowdworker ausführen. Sie sollen am Ort ermitteln, indem Sie Fotos von der Warenpräsentation anfertigen und Fragen zur Werbeausführung der Produkten beantworten. Ein unmittelbarer, persönlicher Kontakt zu den Crowdworkern besteht nicht, sondern nur per Online-Plattform eine elektronisch bestätigte Basisvereinbarung über die Regeln nachfolgender “Microjobs“. Der Nutzer erhält einen persönlichen Account und kann bestimmte örtliche Aufträge annehmen, ohne vertraglich dazu verpflichtet zu sein. Übernimmt er jedoch einen Auftrag, muss er diesen binnen 2 Stunden nach detaillierten Vorgaben des Crowdsourcers erledigen. Die Kommunikation zwischen Crowdsourcer und Crowdworker erfolgt ausschließlich elektronisch und auch die Abwicklung der Aufträge direkt über eine Mobil-App mit GPS. Zunächst wird eine Basisinformation über den Kunden oder den Auftrag lesbar gemacht. Vor dem zweiten Anklicken des Auftrags wird in der App mitgeteilt, wie viel Zeit für den Auftrag voraussichtlich aufgewendet werden muss. Ab dem Anklicken läuft dann eine Uhr rückwärts. Nach Ablauf der Zeit, regelmäßig 2 Stunden, kann der Auftrag nicht weiter bearbeitet werden. Die Vergütung für die Arbeitsleistung als Stundenlohn und nach einem Bonussystem.

Wegen Unstimmigkeiten kündigte die Firma den Basisvertrag, zahlte das Guthaben aus und löschte den Account. Der Anschlussnehmer erhob daraufhin eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht und behauptete, er sei Arbeitnehmer. Außerdem beantragte er die Weiterbeschäftigung bei der Firma und die Fortzahlung seiner Vergütung wegen erzwungener Untätigkeit durch die Kündigung (juristisch: Annahmeverzug). Das Arbeitsgericht München und das Bayerische Landesarbeitsgericht verneinten die Arbeitnehmereigenschaft. Es habe kein Arbeitsvertrag bestanden, also bestehe kein Kündigungsschutz und kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung und weitere Lohnzahlung.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht sah in seiner Entscheidung vom 1. Dezember 2020 die Rechtslage anders. Arbeitnehmereigenschaft hänge gesetzlich davon ab, dass der Beschäftigte weisungsgebundene fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit leiste. Die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses habe gezeigt, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt. Für ein Arbeitsverhältnis spricht es, wenn der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die von ihm bestimmte online Plattform so steuert, dass der Auftragnehmer deswegen seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten kann. Hier sei typischerweise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht worden. Unerheblich sei, dass der Auftragnehmer nicht zur Annahme von App-Angeboten verpflichtet werde. Die Organisationsstruktur sei aber darauf ausgerichtet, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete Nutzer kontinuierlich Bündel einfacher, vertraglich genau vorgegebener Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen. Es habe ein Anreizsystem für Kontinuität der Arbeitsleistung bestanden. Erst ein durch die Anzahl erledigter Aufträge erhöhtes Level im Bewertungssystem habe es den Nutzern ermöglicht, gleichzeitig mehrere Aufträge anzunehmen, um diese auf einer Route zu erledigen und damit einen höheren Stundenlohn zu erzielen.

Zur Berechtigung der Lohnhöhe konnte das Bundesarbeitsgericht nicht Stellung nehmen. Seines Erachtens kann der Crowdworker nicht ohne weiteres wie bisher dieselbe Weiterzahlung der bezogenen Honorare verlangen. Wenn sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als ein Arbeitsverhältnis herausstellt, kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass die für den freien Mitarbeiter vereinbarte Vergütung der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet worden sei. Welche Lohnhöhe angemessen ist, müsse das Landesarbeitsgericht München noch einmal klären.

Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Dezember 2020, Az. 9 AZR 122

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