Lohnpfändungen auch über Zulagen und Zuschläge?

Arbeitgeber haben ein Zusatzrisiko.

Das Problem:

Wird der Lohn des Arbeitnehmers von dessen Gläubigern gepfändet, muss der Arbeitgeber die pfändbaren Beträge an die Gläubiger abführen. Schätzt er dabei etwas falsch sein oder verrechnet er sich, behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf seinen geschützten Lohnanteil. Schwierig ist die Behandlung von Zuschlägen und Zulagen. Gesetzlich unpfändbar sind Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge im Rahmen „des Üblichen“ bleiben. Was ist mit Wechselschichtzulagen, Samstagsarbeit, Sonntagsarbeit und Feiertagsarbeit, Nachtarbeit oder Schichtzuschlägen usw.?

Der Fall:

Eine überschuldete Pflegerin befand sich bei ihrer so genannten Privatinsolvenz in ihrer siebenjährigen Wohlverhaltensphase. Ihre pfändbare Vergütung musste deswegen von der Arbeitgeberin an einen Treuhänder abgeführt werden. 15 Monate lang führte die Arbeitgeberin die sich aus Ihrer Sicht ergebenden pfändbaren Teil des Lohnes an den Treuhänder ab. Dabei berücksichtigte sie auch die geschuldeten tarifvertraglichen Zuschläge für Sonntags –, Feiertags –, Nacht –, Wechselschicht –, Samstags – und so genannte Vorfestarbeit. Die Pflegerin betrachtete diese Zuschläge insgesamt aber als unpfändbare Erschwerniszulagen und wollte die insofern zu viel abgeführten Beträge i.H.v. 1.144, 91 € von der Arbeitgeberin nachgezahlt erhalten.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht Berlin und das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gaben der Arbeitnehmerin Recht. Auf die Revision der Arbeitgeberin sah das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 23. August 2010 die Sache etwas differenzierter.

Als zutreffend wird von den Bundesrichtern angenommen, dass Zulagen für Sonntags –, Feiertags und Nachtarbeit Erschwerniszulagen sind und damit unpfändbar. Im Arbeitszeitgesetz werde die Ausgleichspflicht von Nachtarbeit geregelt und diese somit vom Gesetzgeber als besonders erschwerend gewertet. Sonntage und gesetzliche Feiertage stehen bereits nach dem Grundgesetz unter besonderem Schutz und das Arbeitszeitgesetz ordne deswegen an diesen Tagen ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot an. Der Gesetzgeber gehe deswegen hier von einer besonderen Erschwernis aus, wenn an diesen Tagen trotzdem gearbeitet werden muss. Auch im Einkommensteuerrecht würden diese Beträge privilegiert für den Arbeitnehmer behandelt.

Bei Schicht –, Samstags – und so genannter Vorfestarbeit sieht das Bundesarbeitsgericht eine entsprechende gesetzliche Wertung nicht. Diesbezüglich sah es den Sachverhalt aber auch als noch nicht genügend aufgeklärt an. Es konnte deswegen darüber noch nicht entscheiden und hat das Verfahren an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Unser Kommentar:

Die Arbeitnehmerin hat also bis jetzt zum Teil endgültig obsiegt. Die Arbeitgeberin muss insoweit nachzahlen und ihre Überzahlung vom Treuhänder zurückfordern. Der wird mit Recht einwenden, es sei ihm unmöglich, er habe die Beträge schon guten Glaubens an die Gläubiger verteilt. Die Arbeitgeberin zahlt die Erschwerniszulagen also letztlich zweimal. Die Arbeitnehmerin wird doppelt begünstigt: Ihre Schulden wurden einerseits zum Teil abgetragen, andererseits erhält sie von der Firma ihre Zuschläge nachgezahlt.
Lohnpfändungen bedürfen mithin im Lohnbüro einer sehr sorgfältigen Bearbeitung und Beachtung der Rechtsprechung zu unpfändbaren Lohnbestandteilen. Zur  Berücksichtigung von den -nicht unüblichen- Zulagen für Schicht- und Samstagsarbeit ist die Rechtslage zur Zeit noch unsicher

 

Quelle: Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2017, Az. 10 AZR 859 / 16

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