Wegfall eines Arbeitsplatzes im Konzern

Entscheidungen der Konzernspitze über die interne Verlegung von Arbeitsplätzen sind kein unmittelbarer betriebsbedingter Kündigungsgrund für die betroffenen Konzernunternehmen.

Eine hochinteressante neuartige Entscheidung über den Kündigungsschutz in Konzernunternehmen hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen am 25. Januar 2011 getroffen (13 Sa 1039/10). Sie ist aber noch nicht rechtskräftig.

Der Fall:

Ein Diplom-Betriebswirt war in dem konzernabhängigen deutschen Unternehmen S. als „Leiter der Division-Export“ beschäftigt. Es ging dabei ganz überwiegend um den Export der Produkte P. des Konzerns. Im Februar 2009 wurden die europaweiten P.-Aktivitäten unter einer neuen Firmengruppe SEU zusammengefasst. Die zukünftigen Exportaufgaben der S. sollten nach einer Entscheidung der Konzernmutter in Südafrika von Vertriebsmitarbeitern der SEU ausgeführt werden. Sodann wurde in der Firma  S. die Entscheidung gefällt, ihre Abteilung Export zum 31. Juli 2009 zu schließen und dem Leiter der Exportabteilung zu kündigen. Die Unternehmensleitung meinte, mit der Entscheidung der Konzernmutter, die Exportaufgaben von dem Arbeitgeberunternehmen abzuziehen und bei den neuen Firmen der SEU anzusiedeln, sei die Tätigkeit ihres Leiters der Division Export betriebsbedingt weggefallen.

Die Entscheidung:

Das niedersächsische Landesarbeitsgericht stellte sich auf den Standpunkt, die Kündigung könne nicht mit der Schließung der Exportabteilung der Firma S. und des damit verbundenen des Auftragsentzuges durch den verantwortlichen Geschäftsführer der SEU begründet werden. Eine auf Konzernebene getroffene Organisationsentscheidung die den Wegfall eines Arbeitsplatzes in einem Konzernunternehmen zur Folge habe, sei von diesem Konzernunternehmen, hier also S.,  nicht als ein außerbetrieblicher betriebsbedingter Kündigungsgrund zu bewerten, sondern es handele sich um innerbetriebliche Umstände des Unternehmens. Deswegen müsse auch in diesem Fall die Organisationsentscheidung zum Wegfall des Arbeitsplatzes auf Konzernebene im Einzelnen dargelegt werden.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist das Kündigungsschutzgesetz nicht konzernbezogen. Insbesondere besteht grundsätzlich nach Arbeitsplatzwegfall in einem Konzernunternehmen kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung in einem anderen Konzernunternehmen. Ausnahmen werden nur dann gemacht, wenn sich ein anderes Unternehmen des Konzerns zur Übernahme des Arbeitnehmers bereit erklärt hat oder wenn sich eine solche konzernweite Weiterbeschäftigungspflicht aus dem Arbeitsvertrag, sonstigen vertraglichen Absprachen oder aus einer Praxis ergibt, wie sie in der Vergangenheit geübt wurde. Dagegen steht die hier besprochene Entscheidung des niedersächsischen Landesarbeitsgerichts.

Die Richter in Hannover stehen auf dem Standpunkt, bei isolierter Betrachtung der nationalen Firma S. ergäben sich zwar aus dem Wegfall der Exportbetreuung für die später der SEU angeschlossenen Firmen auf den ersten Blick ausreichende betriebsbedingte Gründe. Die Arbeitgeberin S. könne den Exportleiter zwar -isoliert betrachtet- mangels entsprechender Beauftragung durch andere Konzernunternehmen nicht mehr beschäftigen. Hingegen müsse man aber die Konzerneinbindung berücksichtigen. Konzernbindung zeichne sich dadurch aus, dass eine unternehmensübergreifende Leitungsmacht auf Konzernebene bestehe. Typischerweise würden dann unternehmerische Organisationsentscheidungen, insbesondere wenn sie mehrere Konzernunternehmen tangieren, nicht unternehmensintern und autonom getroffen sondern in einem übergeordneten Konzerngremium. Deswegen seien Organisationsentscheidungen innerhalb eines Konzerns, die zum Arbeitsplatzwegfall in einem konzernangehörigen Unternehmen führen, nicht als außerbetriebliche Gründe zu behandeln, die das abhängige Konzernunternehmen als Vertragsarbeitgeberin nicht zu verantworten habe. Eine solche Sichtweise würde nicht ausreichend berücksichtigen, dass die Konzernentscheidung gleichzeitig eine unternehmensintern Entscheidung für das betroffene Unternehmen darstellt. Der Konzernbindung würde man nur gerecht, wenn Organisationsentscheidungen auf Konzernebene als innerbetriebliche Umstände und damit auch als innerbetriebliche Organisationsentscheidungen der Konzernunternehmen behandelt werden.

Hilfsweise kam in diesem speziellen Fall noch hinzu, dass die Aktivitäten des Exportleiters eben nicht ausschließlich national gewesen waren sondern durch einen umfangreichen Konzernbezug gekennzeichnet wurden. Seine Aufgaben gingen über die Tätigkeit für das Konzernunternehmen S. weit hinaus, denn er hatte die Verantwortung für Strategie, Planung, Kontrolle und Führung des Funktionsbereichs Export der Firmengruppe S. in ganz Europa. Er hatte dabei nicht nur einzelne Firmen der Gruppe in Grundsatzfragen des Auslandsvertriebs zu beraten und zu unterstützen;vielmehr war er  zuständiger Vertriebsrepräsentant im europäischen Ausland für alle Firmen der S. Europa und für die gesamte Produktpalette . Auch weil das Arbeitsverhältnis insofern konzernbezogen ausgestaltet war und firmenübergreifend quasi Konzerntätigkeit zum Inhalt hatte, war der Wegfall des Arbeitsplatzes auf Konzernebene darzulegen. Die Anbindung an den Arbeitsvertrag der Firma S. in Deutschland kann nach Ansicht des niedersächsischen Landesarbeitsgerichts deswegen nur als zufällig bezeichnet werden.

Diese Entscheidung musste dem Bundesarbeitsgericht zur einheitlichen Rechtsfortbildung vorgelegt werden und deswegen hat das niedersächsische Landesarbeitsgericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Wir werden weiter berichten.

Ähnliche Beiträge

Surfen am Arbeitsplatz II

Publiziert am unter ,

Einen konkreten Anhaltspunkt, wie viel Surfen am Arbeitsplatz toleriert werden muss, wenn keine klaren Regeln im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung aufgestellt worden sind, hat jetzt das Landesarbeitsgericht Rhld.-Pfalz gegeben.Weiterlesen