Auskunftsanspruch der Stellenbewerber?

Im Streitfall genügt es, wenn Stellenbewerber nur Indizien beweisen, die ihre Benachteiligung im Auswahlverfahren wegen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität vermuten lassen. Daraufhin muss der Arbeitgeber den genauen Gegenbeweis antreten. Das europäische Gemeinschaftsrecht könnte aber sogar eine Pflicht des Arbeitgebers zur Offenlegung des Auswahlverfahrens beinhalten.

Der Fall:

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Gebietet es das Gemeinschaftsrecht, einem Bewerber, der darlegt, dass er die Voraussetzungen für eine von einem Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle erfüllt, dessen Bewerbung jedoch nicht berücksichtigt wurde, gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft einzuräumen, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist?

Eine 1961 in Russland geborene Bewerberin hatte sich im Jahre 2006 auf die ausgeschriebene Stelle eines/einer Softwareentwicklers/in erfolglos beworben. Die Arbeitgeberin teilte ihr nicht mit, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und gegebenenfalls, welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich waren. Die Bewerberin behauptet, sie habe die Voraussetzungen für die ausgeschriebene Stelle erfüllt und sei lediglich wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und damit unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) diskriminiert worden. Sie hat von der Firma eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts sah sich an einer abschließenden Sachentscheidung gehindert, weil eine solche zunächst von einer dem Gerichtshof der Europäischen Union obliegenden Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt.

Die Bewerberin hatte zwar auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Herkunft hingewiesen, jedoch keine ausreichenden Indizien dargelegt, welche eine Benachteiligung vermuten lassen und die zu einer Beweislast der Firma dafür führen würden, dass kein Verstoß gegen die gesetzlichen Benachteiligungsverbote vorgelegen hat. Einen Anspruch der Bewerberin auf Auskunft gegen die Arbeitgeberin, ob diese einen anderen Bewerber eingestellt hat und gegebenenfalls aufgrund welcher Kriterien, sieht der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts nach nationalem Recht nicht. Ob dies den einschlägigen Antidiskriminierungsrichtlinien des Gemeinschaftsrechts entspricht, durfte der Senat nicht selbst entscheiden.

Unser Kommentar:

Die Überlegungen des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts zeigen einmal mehr, wozu Arbeitsrechtsanwälte seit jeher raten, wie wichtig es ist, dass der Arbeitgeber das Bewerberauswahlverfahren schriftlich dokumentiert. Dies gilt nicht nur für die objektiven Auswahlnormen, sondern auch für das Auswahlverfahren. Fachkundige arbeitsrechtliche Beratung ist in diesen Zusammenhängen unbedingt erforderlich. Schon bei der gegebenen nationalen Rechtslage kommt der Arbeitgeber gegen Bewerber andernfalls in Beweisnot, wenn diese Indizien benennen können, nach welchem das Auswahlverfahren möglicherweise diskriminierend war. Unabweisbar wird die Dokumentation, wenn der europäische Gerichtshof entscheiden sollte, dass über die nationale Vorschrift hinaus nach dem EU-Recht sogar ein Anspruch aller Bewerber auf Auskunft über die Auswahlkriterien und das Auswahlverfahren besteht.

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