Big Brother ganz persönlich

 Vermutungen sind kein begründeter Verdacht. Geldentschädigung wegen Observation durch einen Detektiv.

Der Fall:

Ein Betriebsratsvorsitzender war von seiner Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Das ist in Betrieben mit einer größeren Anzahl von Mitarbeitern gesetzlich vorgeschrieben. In einem Unternehmen an fünf Standorten im Bundesgebiet mit über 800 Arbeitnehmern war der Vorsitzende des Betriebsrats des Werkes in K mit 200 Arbeitnehmern zugleich auch Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates. Es herrschte Streit über die weitere Pflicht zu seiner Freistellung. Seit dem 22. August 2014 sollten darüber die Arbeitsgerichtsbarkeit entscheiden. Zu ihrer Beweissicherung beauftragte die Arbeitgeberin ein Detektivbüro. Sie stellte den Verdacht des Arbeitszeitbetruges mit einer geheimen Zweittätigkeit in den Raum. Diesen Verdacht galt es zu „verifizieren bzw. zu falsifizieren“. Der Auftrag an das Detektivbüro sah ausdrücklich vor:

  • Die Observationen finden ausschließlich zu den Arbeitszeiten statt.
  • Der private Lebensbereich wird von den Ermittlungen nicht erfasst.
  • Es werden wieder Telefonate abgehört noch E-Mails abgefangen oder sonstige Korrespondenz überprüft.
  • Es wird weder Foto- noch Filmaufnahmen des Betriebsratsvorsitzenden gemacht und es wird kein Bewegungsprofil erstellt.
  • Gegenstand der Observation ist ausschließlich der Betriebsratsvorsitzende, andere Personen oder Gemeinschaften werden nicht überwacht.

Die Detektivkosten beliefen sich auf 39.197,85 € für zwanzig Beobachtungstage, wie dem Betriebsratvorsitzenden anonym gesteckt wurde. Er klagte am Arbeitsgericht Kaiserslautern auf eine Entschädigung, deren Höhe er in das Ermessen des Gerichts stellte.

Die Entscheidung:

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat seine Klage abgewiesen. Letztlich sei der Betriebsratsvorsitzende in seinem Persönlichkeitsrecht nicht mehr beeinträchtigt worden, als hätte die Arbeitgeberin einen Vorgesetzten oder Kollegen aufgefordert, ein Auge auf ihn zu haben. Dieses hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz wieder verworfen und dem Betriebsratsvorsitzenden eine Entschädigung i.H.v. 10.000 Euro zugesprochen.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers kann demnach auch dann schwerwiegend verletzt sein, wenn der Arbeitgeber eine Observation nur während der Arbeitszeit angeordnet hat und keine technische Datensicherung stattfindet, nach welcher das Bundesdatenschutzgesetz Anwendung fände. Selbst wenn die Firma oder die Detektei mit der Beobachtung des Betriebsratsvorsitzenden keine Straftaten begangen haben sollten, schließe ihr Verhalten das Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsverletzung des Arbeitnehmers nicht aus. Insgesamt sei der Betriebsratsvorsitzende an 20 Arbeitstagen von mehreren Personen beobachtet worden. Die heimliche Observation über einen derartigen Zeitraum durch Polizei und Staatsanwaltschaft wegen eines Verdachts einer kriminellen Straftat bedürfe der richterlichen Genehmigung. Solche Massstäbe gelten auch für Arbeitgeber. Arbeitgebern können nicht weitergehende Eingriffsmöglichkeiten in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer zugestanden werden, als sie staatliche Organe beim Verdacht auf Kriminalität hätten.

 

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urt. vom 27.04.2017 (5 Sa 449/16)

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