Geheimcodes in Arbeitszeugnissen ?

Das Bundesarbeitsgericht hat sich wieder mit Zeugnissprache befasst.

Arbeitszeugnisse dürfen keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Sie müssen klar und verständlich formuliert sein. (Grundsatz der Zeugnisklarheit).

Ein immer wieder gehörtes Misstrauen ist rechtlich unbegründet, dass man sein eigenes Arbeitszeugnis nicht verstehen könne, weil es geheime Codes enthalte. Maßgeblich ist die Sicht des Zeugnislesers, des Entscheiders bei einer Neueinstellung. Er muss eindeutige und nachvollziehbare Angaben über Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers vorfinden. Profis lesen Zeugnisse zwar sehr genau; sie achten vor allem auf die Beschreibung der Qualität der erbrachten Arbeitsleistung und auf die Wortwahl bei der Bewertung von Leistung und Verhalten, aber eine Liste mit Schlüsselphrasen haben sie nicht dabei und benötigen sie auch nicht.

Der Fall:

Eine Arbeitgeberin erteilte am Ende eines dreijährigen Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis. Dieses enthielt auszugsweise folgenden Absatz:

„Wir haben den Mitarbeiter als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Er war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen und erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“

Der Arbeitnehmer wandte sich mit einer Zeugnisberichtigungsklage gegen die Formulierung „kennen gelernt“. Er vertrat die Auffassung, diese Formulierung werde in der Berufswelt überwiegend negativ verstanden. Damit bringe der Arbeitgeber verschlüsselt zum Ausdruck, dass gerade das Gegenteil der jeweiligen Aussage zutreffe. An sich wirke die Aussage positiv. Das Verb „kennen gelernt“ enthalte aber eine Einschränkung, als habe man diese Leistungsmerkmale nur zum Teil wahrgenommen und es sei objektiv eine andere Einschätzung geboten.

Die Entscheidung:

Der Mitarbeiter blieb in allen Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit ohne Erfolg. Die im Zeugnis enthaltene Formulierung, „als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt“, erweckt aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nicht den Eindruck, der Arbeitgeber attestiere in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15. November 2011 – 9 AZR 386/10 –

Ähnliche Beiträge

GmbH-Geschäftsführer und Sozialversicherungspflicht

Publiziert am unter ,

Geschäftsführer einer GmbH sind keine Arbeitnehmer, sondern sie üben im Unternehmen die Arbeitgeberfunktionen aus. Als Organ sind sie der Arbeitgeber in Person. Das Arbeitsrecht ist auf Geschäftsführer deswegen nicht anwendbar. Trotzdem können sie wie ein Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig sein, sodass das Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken- Renten- Arbeitslosen- Pflegeversicherung abführen muss.Weiterlesen

Betriebsrentenanpassung im Konzern

Publiziert am unter ,

Alle drei Jahre besteht für die viele Typen von Versorgungszusagen eine Prüfungspflicht. Der Arbeitgeber muss die Belange des Versorgungsempfängers und seine wirtschaftliche Lage abwägen und die laufenden Leistungen ggf. anpassen. Im Streit bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens war bisher immer, wie mit Konzernunternehmen umgegangen werden soll. Darf nur das einzelne Konzernunternehmen berücksichtigt werden, oder ist die Gesamtlage des Konzerns auch massgeblich? Das Bundesarbeitsgericht hat sich am 10.Februar 2009 in drei Fällen mit dieser Frage befasst.Weiterlesen

Lohnwucher

Publiziert am unter ,

Wann beginnt Lohnwucher? Wann ist das Verhältnis von Arbeitsleistung zum Lohn so missbräuchlich, dass der Lohn an objektive Verhältnisse angepasst und nachgezahlt werden muss? Diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht im Unterschied zu den Vorinstanzen anders beurteilt.Weiterlesen