Versetzung nach Entfristung

Alle zählen mit, nicht nur die entfristeten Arbeitnehmer.

Das Problem:

Das Bundesarbeitsgericht hatte am 9. März 2011 entschieden, dass die befristeten Arbeitsverträge bei der Agentur für Arbeit entfristet werden müssen, weil der Sachgrund – haushaltsrechtliche Befristung – unwirksam sei. Auf diese Weise erging es der Bundesagentur für Arbeit so wie allen Arbeitgebern auch: Sie musste die Arbeitsplätze neu verteilen, weil in einigen Agenturen wegen der Entfristung ein Arbeitskräfteüberhang aufgetreten war. Dies ist kein Spezialfall der Bundesagentur als Arbeitgeberin, sondern betrifft alle anderen Arbeitgeber mit mehreren Betrieben an verschiedenen Orten. Die Bundesagentur hat die von der Entfristung betroffenen, bisher befristet beschäftigten Arbeitnehmer auf verschiedene Agenturen verteilt. Im Grundsatz ergibt sich eine solche Berechtigung zur Versetzung von Arbeitnehmern aus dem Tarifvertrag und aus den Musterarbeitsverträgen der Bundesagentur. Es ist aber -wie immer- der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einzuhalten.

Der Fall:

Eine Arbeitnehmerin hat gegen ihre Versetzung geklagt. Sie war als Fachassistentin im Rahmen eines auf den 31. Dezember 2011 befristeten Arbeitsvertrages in der Agentur für Arbeit in Pirna (Sachsen) beschäftigt worden. Als Folge der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wurde sie zur Arbeitsagentur nach Weiden in der Oberpfalz (Bayern) versetzt. Die Arbeitnehmerin klagte dagegen, weil sie diesen Eingriff in ihre Lebensumstände für unbillig hielt, vor allem sei aber die Auswahlentscheidung falsch gewesen, nur die entfristeten Arbeitskollegen einzubeziehen. Man hätte unter allen Arbeitnehmern auswählen müssen und darunter nur diejenigen versetzen dürfen, die es sozial am wenigsten trifft. Die Arbeitnehmerin war in allen drei Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit erfolgreich. Der Fall hat grundsätzliche Bedeutung.

Die Entscheidung:

Generell kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Diese Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt aber eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen und den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalles einzubeziehen.

Aus Rechtsgründen war vorliegend die Bundesagentur für Arbeit nicht daran gehindert, die Inhaber von Planstellen aller ihrer Beschäftigten zu versetzen. Die Musterverträge verweisen auf die geltenden Tarifverträge und sehen die Verwendung der Arbeitnehmer auf einem bestimmten Arbeitsplatz bzw. in einer bestimmten Dienststelle gerade nicht vor.

Es ist aber ermessensfehlerhaft, wenn ein Arbeitgeber in seine Auswahlüberlegungen lediglich die Arbeitnehmer in dem sog. Überhang der Entfristeten und nicht auch die Arbeitnehmer der vergleichbaren Tätigkeitsebene einbezieht. Aus dieser Beschränkung des auswahlrelevanten Personenkreises verfolgt er kein anzuerkennendes Bedürfnis

Dies bedeutet im Ergebnis, dass auch sämtlichen anderen Inhabern von Planstellen derselben Tätigkeitsebene die vorgesehene Stelle hätte übertragen werden können. Nur diejenuge Versetzungsentscheidung ist richtig, die alle berücksichtigt. Nach der Entfristung wurden alle gleich.

 

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 10. Juli 2013 Az. 10 AZR 915/12

 

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