Werkvertrag oder illegale Leiharbeit?

Aufgepasst: Die Abgrenzung ist schwierig und ein Werkvertrag mit bloßer Personalgestellung ist für beide Seiten riskant.

Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Arbeitgeberanteile und Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Pflegeversicherung) aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber an die Deutsche Rentenversicherung Bund zu zahlen. Selbst bei einem wirksamen Vertrag zwischen einem anerkannten Verleiher von Arbeitnehmern und dem Entleiher haftet auch der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers (Verleiher), wenn ihm Arbeitnehmer gegen Vergütung zur Arbeitsleistung überlassen worden sind. Bei einer unwirksamen Arbeitnehmerleihe, etwa weil der Verleiher keine Genehmigung zu diesem Gewerbe hat, haftet der Entleiher für die Sozialversicherungsbeiträge direkt. Im Baugewerbe gilt sogar, dass ein Bauunternehmer der einen anderen Bauunternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, zusätzlich für die Zahlungspflicht dieses beauftragten Unternehmers oder sogar eines von diesem Unternehmer unterbeauftragten Verleihunternehmens haftet.

Diese Regeln hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 11. Oktober 2012 noch einmal erheblich ausgedehnt und auch auf den Fall angewandt, dass ein Subunternehmer keine eigenen sachlichen Betriebsmittel hat, sondern nur Arbeitnehmer zur Verfügung stellt, ohne die Genehmigung von der Agentur für Arbeit zu haben. Selbst wenn die Vertragspartner nur von dem geschuldeten Erfolg der Leistungen ausgehen (Werkvertrag) und nicht von reinen Dienstleistungen durch Arbeitnehmer (Arbeitnehmerüberlassung) ändert das  nichts. Der Auftraggeber  muss die Sozialversicherungsbeiträge für die in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abführen. Von einer (illegalen) Arbeitnehmerüberlassung und nicht von einem Werkvertrag ist auszugehen, wenn sich der tatsächliche Geschäftsinhalt auf die Überlassung von Arbeitskräften beschränkt und der angebliche Werkunternehmer schon aufgrund seiner betrieblichen Organisation gar nicht in der Lage wäre, das (angeblich) versprochene Werk zu erstellen.

Der Fall:

Ein Bauunternehmen hatte den Auftrag erhalten, am Gebäude des Gymnasiums in Sch. einen Anbau zu errichten. Das Verfugen des Kalksandstein-Sichtmauerwerks der Zwischenwände führten fünf polnische Bauarbeiter aus, die über die Firma S. Bau Dienstleistungsgesellschaft mbH zum Einsatz kamen. Die Firma S. hatte aber keine Erlaubnis zur Verleihung von Arbeitnehmern und verfügte nicht über einen eigenen Geschäftsbetrieb, Bauhof oder Fuhrpark. Die Verfugungsarbeiten wurden mit dem Material und Werkzeug der auftraggebenden Baufirma ausgeführt. Die Firma S. stellte der Baufirma Rechnungen für die Tätigkeit der polnischen Bauarbeiter aus. Die Abrechnung erfolgte wöchentlich auf Grundlage der geleisteten Arbeitsstunden. Es war ein Stundensatz von 21,50 € vereinbart. Der Rechnungsbetrag wurde in bar bezahlt.

Im Januar 2006 erließ das Hauptzollamt gegen die Baufirma einen Bußgeldbescheid wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Verbot illegaler Entleihung von Arbeitnehmern. Die Geschäftsführer wurden vom Amtsgericht wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Verbot illegaler Entleihung von Arbeitnehmern zu einer Geldbuße verurteilt.

Im Dezember 2007 hörte die Deutsche Rentenversicherung die Baufirma zur beabsichtigten Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung für die Zeit vom 22.09.2003 bis 20.10.2003 in Höhe von insgesamt 19.950,44 € (davon Säumniszuschläge in Höhe von 6.651,50 €) an. Zur Begründung wurde angegeben, das Hauptzollamt habe festgestellt, dass eine illegale Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen habe. In einem solchen Fall habe der Entleiher die vollen Arbeitgeberpflichten und damit auch die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Die betroffenen Leiharbeitnehmer seien der Einzugsstelle nicht gemeldet worden. Die Baufirma werde aufgefordert, für alle Arbeitnehmer vollständige und prüffähige Lohnaufzeichnungen vorzulegen; andernfalls sei beabsichtigt, für die namentlich nicht bekannten Leiharbeitnehmer die Beiträge nachzuberechnen und diese in Form eines Summenbeitragsbescheids festzusetzen. Der Berechnung der Beiträge lägen die aus den Rechnungsbeträgen ermittelten Gesamtlohnsummen zugrunde. Die Baufirma reagierte auf das Anhörungsschreiben nicht. Mit Bescheid vom 31.01.2008 setzte die Deutsche Rentenversicherung wie angekündigt die Beitragsnachforderung in Form eines Summenbeitragsbescheids fest.

Die Firma widersprach und führte zur Begründung aus, ein Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz liege nicht vor, da sie nicht fünf polnische Arbeitnehmer entliehen habe. Sie habe vielmehr mit der Firma S. einen Werkvertrag abgeschlossen, der die Verfugungsarbeiten im Gebäude des Gymnasiums zum Gegenstand gehabt habe. Sie habe deswegen vor der Beauftragung der Firma S. eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes und Arbeitserlaubnisse angefordert. Dass die vorgelegten Unterlagen teilweise gefälscht gewesen seien, habe sie nicht bemerken können. Die polnischen Arbeiter seien zu keinem Zeitpunkt wie ihre eigenen Stammarbeitnehmer eingesetzt gewesen. Sie hätten ausschließlich auf Anweisung der Firma S. gearbeitet. Der vereinbarte Stundenlohn habe deutlich über dem Mindestlohn von 10,36 € gelegen. Sämtliche Lohnnebenkosten der Firma S. seien damit abgedeckt worden. Zusätzlich sei der Firma ein Gewinn verblieben.

Es habe sich zudem auf der Baustelle herausgestellt, dass diese Firma S. die Verfugungsarbeiten zeit- und fachgerecht ausführen könne. Die Firma S. habe sich lediglich nicht auf die gewünschte und gewollte Abrechnung nach Quadratmetern eingelassen, sondern eine Abrechnung nach Stundenaufwand gefordert. Eine solche Abrechnungsweise sei in der Baubranche nicht ungewöhnlich. Da die Firma S. nicht bekannt gewesen sei, habe man sich verschiedene Unterlagen vorlegen lassen (Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Bescheinigungen des Finanzamtes, Freistellungsbescheinigung zum Steuerabzug und Arbeitserlaubnisse). Wäre eine Arbeitnehmerüberlassung beabsichtigt gewesen, hätte man auch die Vorlage dieser Genehmigung gefordert. Inhalt und Umfang des an die Firma S. erteilten Auftrags sei von Anfang an exakt definiert gewesen. Die Arbeiter der Firma seien nicht für andere Tätigkeiten eingesetzt worden. Zunächst seien nur zwei Arbeiter geschickt worden. Als absehbar gewesen sei, dass diese die Arbeiten nicht innerhalb des Zeitrahmens bewerkstelligen konnten, seien von der Firma S. drei weitere Arbeiter eingesetzt worden. Der Bauleiter habe den Arbeitern lediglich die Sichtmauern gezeigt, an denen die Verfugungsarbeiten durchzuführen waren. Im Übrigen hätten die Arbeiter die Verfugungen selbständig ausgeführt und selbst entschieden, in welchen Zeiten und auf welche Art die Arbeiten ausgeführt werden. Die durchgeführten Arbeiten seien nur vor Ort kontrolliert und soweit notwendig sofort beanstandet worden. Dass man das Material zur Verfügung gestellt habe, sei durchaus üblich und mit der Firma S. vereinbart gewesen. Als Auftraggeberin habe sie lediglich mit ihrem vor Ort anwesenden Bauleiter die Anzahl der von den Arbeitern angegebenen Stundenzahl überprüft und nach Fertigstellung auch die Qualität der Arbeit kontrolliert. Mängel seien sofort gerügt und von den Arbeitern der Firma S. nachgebessert worden. Im Falle einer mangelhaften Ausführung hätte die Baufirma Gewährleistungsansprüche geltend gemacht. Die Arbeitsvergütung sei auf Verlangen der Firma S. ausnahmsweise in bar bezahlt worden. Die Vergütung sei jedoch nicht an die einzelnen Arbeiter, sondern an eine von der Firma S. genannte Person ausbezahlt worden.

Die Deutsche Rentenversicherung hielt dagegen: Die Feststellungen belegten eine illegale Arbeitnehmerüberlassung. Die Firma S. habe nicht die Herstellung eines Werks, sondern nur das Tätigwerden der eigenen Arbeitnehmer geschuldet. Die deutsche Baufirma habe das unmittelbare Weisungsrecht des Arbeitgebers auf der Baustelle ausgeübt und sowohl die Arbeiten als auch die Stundenanzahl überwacht. Ein Termin zur Fertigstellung sei nicht vereinbart gewesen. Bei der Firma S. handele es sich nicht um keine reguläre Baufirma. Der eigentliche Zweck bestehe allein in der Überlassung von Arbeitskräften. Die Firma weise keine Betriebsstruktur auf, die zur Erfüllung eines Werkes geeignet gewesen sei. Die Weisungen vor Ort, die Überwachung der Arbeitsleistung und der Arbeitszeiten seien allein durch die Bauunternehmerin erfolgt.

Die Entscheidung:

Die Baufirma konnte sich am Sozialgericht durchsetzen, aber nicht am Landessozialgericht. Es entschied:

Eine allgemeine Abgrenzung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag ist schwierig. Massgeblich dazu ist der deswegen tatsächliche Geschäftsinhalt. Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist auf die entgeltliche Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern zur Arbeitsleistung bei einem Dritten gerichtet. Gegenstand eines Werkvertrages kann demgegenüber sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein. Bei der Arbeitnehmerüberlassung werden dem Entleiher die Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt. Ihm steht ein unmittelbares Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern zu. Diese sind voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert. Beim Werkvertrag wird der Unternehmer oder Subunternehmer für einen anderen tätig und organisiert die zur Erreichung des wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Vorstellungen. Dabei hat der Arbeitnehmer nach seinen, des Werkunternehmers, Weisungen zu handeln. So ein Arbeitnehmer ist nicht in den Betrieb des Werkbestellers eingegliedert. Der Werkbesteller kann nur Anweisungen im Hinblick auf das in Auftrag gegebene Werk insgesamt geben.

Unter Anwendung dieser Abgrenzungskriterien war vorliegend von einer Arbeitnehmerüberlassung und nicht von einem Werkvertrag zwischen der Baufirma und der Firma S. auszugehen. Schriftliche Verträge wurden nicht abgeschlossen, so dass die tatsächliche Durchführung maßgeblich ist. Zwar waren die ausgeführten Arbeiten grundsätzlich einem Werkvertrag zugänglich. Es handelte sich um eine abgrenzbare, klar definierte Tätigkeit (Verfugung von 900 qm Sichtmauerwerk), die Gegenstand einer öffentlichen Ausschreibung sein kann. Nach dem Vortrag der Baufirma hatte sie auch zunächst die Arbeiten an die Firma M. GmbH als Subunternehmen vergeben. Nach Kündigung dises Werkvertrages ist sie dann aber an die Firma S. geraten, die als bloße Dienstleistungsgesellschaft weder über einen eigenen Geschäftsbetrieb, Bauhof noch Fuhrpark verfügt. Nach den Ermittlungen des Hauptzollamts L. war alleiniger Gegenstand der Firma die Überlassung von Arbeitskräften. Die Firma S. konnte demnach die hier im Streit stehenden Bauarbeiten mit eigenen Mittel überhaupt nicht ausführen. Sie war nicht einmal in der Lage einzuschätzen, wie viele Arbeiter für Verfugungsarbeiten im Umfang von 900 qm benötigt werden. Dementsprechend nahm das Personal der Baufirma die Planungen vor und stellte sowohl das Material als auch die Gerätschaften zur Verfügung. Damit war denknotwendig eine Eingliederung in die Arbeitsabläufe des Bauunternehmens verbunden. Die Leistungspflicht der Firma S. erschöpfte sich in der Zurverfügungstellung der benötigten Arbeitskräfte. Auch die Abrechnung der Arbeiten spricht gegen einen Werkvertrag. Im Fall eines Werkvertrages erfolgt die Vergütung üblicherweise nach Maßgabe des erzielten Erfolges und nicht – wie hier – nach der Zahl der dazu benötigten Arbeitsstunden. Schließlich spricht auch die Kontrolle der polnischen Arbeitnehmer in Bezug auf die Qualität der Arbeit und die erbrachten Arbeitsstunden gegen einen Werkvertrag. Die Arbeiten wurden vom Bauleiter unmittelbar vor Ort regelmäßig kontrolliert und soweit notwendig sofort beanstandet. Auch wenn die Arbeiter frei entscheiden konnten, in welcher Art sie die Arbeiten ausführen, hatte die Bauleitung offenbar die Möglichkeit direkt (dh ohne Umweg über die Firma S.) auf die Arbeiter einzuwirken und ihnen Weisungen zu erteilen.

Die Baufirma musste also im Ergebnis die Sozialversicherungsbeiträge für die polnischen Leiharbeiter in Höhe von 19.950,44 € an die Deutsche Rentenversicherung nachzahlen.

Unser Kommentar:

Aus Schaden wird man klug. Bei der Vergabe von Werksaufträgen muss der Subunternehmer genau überprüft werden. Hat er eigene Betriebsmittel, mit denen er in der Lage ist, das Werk selbstständig zu erfüllen? Hat er eine entsprechende Betriebsstruktur, nach der man auf eine verantwortliche Arbeitgebereigenschaft schließen kann? Sollte das nicht der Fall sein, sondern sollte es sich im Wesentlichen um die Zurverfügungstellung von reiner Arbeitsleistung handeln, muss sich der Auftraggeber die Genehmigung der Agentur für Arbeit vorzeigen lassen. Andernfalls rückt er als Entleiher in eine Art Arbeitgeberstellung und ist für die Lohnzahlung und die Abführung der Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich. Dann hätte er auch gleich eigenes Personal beschäftigen können. Natürlich macht sich auch der Subunternehmer strafbar, wenn er Sozialversicherungsbeiträge nicht abführt und ohne Genehmigung Arbeitnehmerüberlassung betreibt.

 

 

 

 

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