Anforderungsprofile widerlegen Diskriminierung

Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche wegen Benachteiligung im Bewerbungsverfahren kommen nicht in Betracht, wenn die Bewerbung mit der anderer Bewerber nicht vergleichbar war. Dies beurteilt sich nach einem vorher entwickelten und nachvollziehbaren Anforderungsprofil.

Der Fall:

Eine Organisation der evangelischen Landeskirche suchte für eine auf elf Monate befristete Projektstelle „Schulung von Multiplikatorinnen/-en im Bereich der beruflichen Integration von erwachsenen Migrantinnen/-en“ eine Fachkraft

  • mit einem abgeschlossenem Studium in Sozialwissenschaft oder Sozialpädagogik
  • und Erfahrungen in der Projektarbeit sowie Kompetenzen in der projektspezifischen Thematik,
  • die einer christlichen Kirche zugehört.

Eine Muslima türkischer Herkunft und mit deutscher Staatsangehörigkeit bewarb sich auf die Stelle. Sie hatte eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau absolviert und danach Erfahrungen in Projekten mit Menschen mit Migrationshintergrund gesammelt. Sie erhielt in der Folge eine Absage. Eingestellt wurde eine christliche Bewerberin indischer Herkunft, die einen Hochschulabschluss als „Diplom-Sozialwissenschaftlerin“ aufweisen konnte und deren bisheriges berufliches Leben stark auf die Themen „Sozialisation“ und „Migration“ ausgerichtet war. Während des Bewerbungslaufs erhielt die Muslima einen Anruf von einer Mitarbeiterin der Landeskirche, die darauf hinwies, dass der Eintritt in die Kirche unabdingbare Voraussetzung für die Stelle sei.

Mit ihrer Klage verlangte die Muslima eine Entschädigung wegen unmittelbarer Benachteiligung aufgrund der Religion und mittelbarer Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft. Das Arbeitsgericht Hamburg gab ihrer Klage statt; das Landesarbeitsgericht wies sie ab. Die hiergegen gerichtete Revision der abgewiesenen Bewerberin hatte am Bundesarbeitsgericht schliesslich keinen Erfolg.

Die Entscheidung:

Die Muslima hat gegen die einstellende Wohlfahrtsorganisation der evangelischen Landeskirche  keinen Entschädigungsanspruch wegen Benachteiligung aufgrund der Religion oder ethnischen Herkunft. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals muss in vergleichbarer Situation geschehen. Die Bewerbung muss mit den anderen Bewerbungen vergleichbar sein. Dies ist nach dem vom Arbeitgeber entwickelten Anforderungsprofil zu beurteilen, wenn dieses nach der allgemeinen Anschauung plausibel erscheint.

Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall keine entschädigungspflichtige Benachteiligung vor. Es war schon nicht zu prüfen, ob die Abgewiesene unmittelbar wegen der Religion oder mittelbar wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt worden ist, denn bei ihrer Bewerbung befand sie sich nicht in einer „vergleichbaren Situation“ zu der schließlich eingestellten indischen Bewerberin, da sie anders als diese nicht über ein abgeschlossenes Hochschulstudium verfügte.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass ein einschlägiges Studium zur Voraussetzung für eine Einstellung gemacht wurde. Bei einem Schulungsprojekt für Multiplikatoren in der Sozialarbeit entspricht es dem Üblichen, eine Hochschulausbildung zu verlangen. An dieses objektive Kriterium hatte sich die karitative landeskirchliche Organisation gehalten.

Kommentar:

Der Fall zeigt einmal mehr, dass es bei einer Stellenausschreibung auf das Vorhandensein eines genauen Anforderungsprofils, also auf klare, schriftlich dokumentierte Vorstellungen über das Wissen und Können des zukünftigen Mitarbeiters ankommt. Es sollte eine genaue Beschreibung des zu besetzenden Arbeitsplatzes vorliegen. Andernfalls laufen Arbeitgeber Gefahr, Arbeitsplätze mit weniger geeigneten Bewerbern besetzen zu müssen, wenn sie einem möglichen Schadensersatz wegen Diskriminierung entkommen wollen. Grundsätzlich sollten externe Dritte die Stellenausschreibung und das interne Anforderungsprofil überprüfen, bevor beides das Licht der Öffentlichkeit erblickt.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2010 – 8 AZR 466/09 –

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