Streikbruchprämie: Ungleichbehandlung?

Ist eine Streikbruchprämie ein zulässiges Kampfmittel des Arbeitgebers?

Der Fall:

Die Arbeitnehmer eines Lebensmittelmarktes in Braunschweig lasen folgendes:

„STREIKBRUCHPRÄMIE
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir erwarten, dass die Gewerkschaft B. in unserem Markt zum Streik aufrufen wird.
Sollte es in unserem Markt tatsächlich zu einem Streik an einem oder mehreren Tagen kommen und die Verkaufsfähigkeit des Marktes erheblich gefährdet sein, hat T. entschieden, allen arbeitswilligen Mitarbeitern und Auszubildenden, die bei einem Streik ihrer regulären Tätigkeit nachgehen und nicht streiken, eine Prämie in Höhe von
200,00 Euro brutto je Streiktag (Vollzeit) (Teilzeit wird stundenanteilig berechnet) auszuzahlen.
Ihr Marktleiter wird dokumentieren, dass Sie anstelle des Streiks gearbeitet haben und meldet dies an die Personalabteilung. Die Streikbruchprämie wird dann im Rahmen der nächsten monatlichen Gehaltsabrechnung ausgezahlt.“

Der Betriebsobmann nahm mit fünf weiteren Beschäftigten an dem Streik teil. Er hatte eine durchschnittliche monatliche Bruttovergütung von 1.480 € bei einem Stundenlohn von 8,70 € und stellte sich auf den Standpunkt, dass auch er die Prämie für die Streiktage auf der Grundlage des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes erhalten müsse. Die Prämie verstoße sonst gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot. An einem Tag habe er zudem gearbeitet, weil er seine Aufgaben als Betriebsobmann wahrnehmen musste.

Die Entscheidung:

Sowohl das Arbeitsgericht Braunschweig, als auch das niedersächsische Landesarbeitsgericht in Hannover lehnten einen Anspruch wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Maßregelungsverbot und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz ab. Allerdings hielten die niedersächsischen Richter die Streikbruchprämie i.H.v. 200 € für zu hoch und – gemessen an dem Monatseinkommen – für ein unverhältnismäßiges Kampfmittel. Eine Prämie i.H.v. 100 € hielt man in Hannover für angemessen. Das Bundesarbeitsgericht schließlich bestätigte mit Urteil vom 14. August 2018 im Grundsatz die Entscheidungen der Vorinstanzen. Auch nach Auffassung der Bundesrichter ist die Auslobung einer Streikbrecher-Prämie kein unverhältnismäßiges Mittel des Arbeitgebers und über die niedersächsische richterliche Begrenzung hinaus sei die Höhe insgesamt nicht zu beanstanden. Die ausgelobte Streikbruchprämie i.H.v. 200 € – selbst soweit sie den Tagesverdienst Streikender um ein Mehrfaches überstieg – wurde als Kampfmittel als nicht unangemessen angesehen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. August 2018, Az. 1 AZR 287 / 17

Ähnliche Beiträge

Diskriminierung in Sozialplänen?

Publiziert am unter , ,

Die Betriebsparteien dürfen in Sozialplänen für Arbeitnehmer, welche Anspruch auf vorgezogene Altersrente haben, geringere Abfindungsansprüche vorsehen. Das gilt auch, wenn der Rentenbezug mit Abschlägen verbunden ist. Dieses Ermessen räumte das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 1.11.2008 Arbeitgebern und Betriebsräten ein.Weiterlesen

Bagatellverstoss und fristlose Kündigung

Publiziert am unter ,

Die Frage der Verhältnismässigkeit fristloser Kündigungen bei unstreitigen Arbeitsvertragsverstössen ist ins Schwimmen gekommen. Was ist ein Bagatellverstoss? Das Landesarbeitsgericht  Berlin-Brandenburg hat am 16.09.2010 die Kündigung einer langjährig beschäftigten Bahnmitarbeiterin trotz einer Betrugshandlung im Umfange von rund 160 Euro für unwirksam gehalten.Weiterlesen

Lohnabsenkung nach Betriebsübergang

Publiziert am unter ,

Bei einem Betriebsübergang tritt der neue Arbeitgeber zwar in alle Rechte und Pflichten des bestehenden Arbeitsverhältnisses ein und muss daher grundsätzlich auch die bisherige Vergütung weiter zahlen. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07. November 2007 kann der neue Arbeitgeber aber nach einem Betriebsübergang mit den Arbeitnehmern einzelvertraglich eine Absenkung des bisherigen Gehalts vereinbaren.Weiterlesen