Betriebsvereinbarungen gelten zwingend

Arbeitgeber und Betriebsrat können die Geltung einer Betriebsvereinbarung nicht von einem weiteren Quorum der betroffenen Arbeitnehmer abhängig machen.

Der Fall:

Arbeitgeberin und Betriebsrat schlossen 2007 eine Betriebsvereinbarung zu variablen Vergütungsbestandteilen der im Lager beschäftigten Arbeitnehmer. Allerdings behielten sie sich als Bedingung vor, dass die betroffenen Arbeitnehmer selbst darüber noch abstimmen sollten. Die Betriebsvereinbarung sollte nur in Kraft treten, wenn 80 % betroffenen Arbeitnehmer einzelvertraglich bis zum Ablauf einer von der Arbeitgeberin gesetzten Frist diesen Regelungen schriftlich zustimmen. Falls dieses Zustimmungsquorum nicht erreicht werde genehmigte der Betriebsrat der Arbeitgeberin den Vorbehalt, die vereinbarten variablen Vergütungsbestandteile dennoch auszuzahlen.

Späterhin hat der Betriebsrat die Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung vor den Arbeitsgerichten geltend gemacht. Sowohl das Arbeitsgericht München als auch das Landesarbeitsgericht hielten die Vereinbarung für wirksam.

 

Die Entscheidung:

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates an das Bundesarbeitsgericht war hingegen erfolgreich. Der zuständige Senat hielt die Betriebsvereinbarung in dieser Form für unwirksam. Der Betriebsrat sei gewählter Repräsentant der Belegschaft. Das Betriebsverfassungsgesetz mache ihn zu einem Organ der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber, im eigenen Namen kraft Amtes tätig zu sein. Der Betriebsrat sei deswegen an Anweisungen der Arbeitnehmer nicht gebunden, noch bedürfe sein Handeln deren Zustimmung. Betriebsvereinbarung gelten kraft Gesetzes unmittelbar und zwingend, sofern die Vertragsparteien sich innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Regelungsbereiche der betrieblichen Mitbestimmung halten. Betriebsvereinbarung gelten damit für alle betroffenen Arbeitnehmer des Betriebes. Es widerspräche den Strukturprinzipien der Betriebsverfassung, wenn Betriebsvereinbarung unter dem Vorbehalt der Zustimmung der vertretenen Arbeitnehmer ständen. Mit Betriebsvereinbarung werde unabhängig vom Willen oder der Kenntnis der Arbeitnehmer Arbeitsrecht geregelt. Das schließt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts ein Zustimmungsquorum der jeweils betroffenen Arbeitnehmer zu den Regeln einer Betriebsvereinbarung etwa verbunden mit einer persönlichen Vertragsergänzung aus.

 

Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28. Juli 2020 Az. 1 ABR 4 / 19

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